BUND Regionalverband Nordschwarzwald

Forstexkursion mit ForstBW in Langenbrand

Dem Wald in Deutschland und Baden-Württemberg geht es schlecht. So weit, so allgemein. 3 Jahre Dürre haben dazu geführt, dass der Wald stark unter der Trockenheit gelitten hat. Dies gilt für die die Fichte, aber auch für die tiefwurzelnde Tanne oder die Buche und andere Baumarten. Dank ein bisschen mehr Niederschlag als anderswo haben wir im Nordschwarzwald weniger Ausfälle zu verzeichnen als anderswo. Grund zur Entspannung bietet das nicht. Vielmehr müssen wir uns nicht erst seit jetzt fragen, wie wir mit unserem Wald umgehen wollen und wie wir, auch aus Eigeninteresse, sein Fortbestehen unterstützen können.

 (Liss Hoffmann / BUND Nordschwarzwald)

Gemeinsam mit ForstBW Forstbezirk Nordschwarzwald ging es am 16.7.2021 nach Langenbrand (Schömberg) im Kreis Calw auf rund 700 Meter in den Wald. Diverse Fragen wurden schon im Voraus durch die Verbände, Ehrenamtlichen und den Forst selbst zusammengetragen und sollten nun vor Ort diskutiert werden:

  • Wie geht ForstBW mit den zunehmenden Klimaextremen um und was schlagen die Verbände vor?
  • Wie können wir uns Wald dauerhaft bewirtschaften, sind Vollernter wirklich so schlimm, wie oft dargestellt und geht es nicht auch mit Rückepferden?
  • Naturschutz im Wald: Nach welchen Kriterien werden Habitatbäume, Habitatbaumgruppen und Waldrefugien ausgewiesen und wie viele Flächen sollen aus der Nutzung genommen werden?
  • Wie können Wege und Straßen im Wald sicher gestaltet werden und wie überprüft der Forst die Sicherheit?
  • Was ist das Waldinnen und Waldtrauf-Programm des ForstBW Forstbezirkes Nordschwarzwald?
  • Können wir durch große und robuste Nutztierrassen die Ökosysteme im Wald stärken und wie könnte ein Versuchsprojekt aussehen?

Klimawandel im Wald und Waldanpassungsstrategien

Der Klimawandel zeigt sich auch bei uns in der Region deutlich. Die Durchschnittstemperatur ist deutlich gestiegen. Heiße Tage mit über 30 Grad haben zugenommen, Schnee-/Eistage abgenommen. Die Niederschlagssummen sind im Jahresgang ähnlich geblieben, kommen aber unregelmäßiger und oft in höherer Intensität. Sehr stark zugenommen hat die Stabilität der Wetterlagen. Das bedeutet, dass sich das Wetter über einen sehr langen Zeitraum nicht mehr ändert und es so beispielsweise extrem nass oder auch extrem trocken sein kann. Für Waldökosysteme, die wie bei uns in einem gemäßigten Klimabereich entstanden sind, stellen diese Extreme zunehmend Probleme dar.

 (Patrick Maier / BUND Nordschwarzwald)

Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, wie wir den Wald in diesem Wandel bewirtschaften. Einig sind sich Forst, Wissenschaft und Naturschutz, dass viele heimische Arten gut für den Wald sind und dass das Risiko von Ausfällen so minimiert werden kann. Traubeneiche, Spitzahorn, Feldahorn, Hainbuche, Winterlinde, Hängebirke oder Kirsche gelten dabei als mögliche Arten, die auch in Zukunft noch eine gute Chance haben. Über nicht-heimische Arten wie die Douglasie wird bis in die höchsten Wissenschaftsebenen gestritten. Positiv ist, dass die Douglasie gutes Bauholz – als Rohstoff und Ersatz für klimaschädlichen Beton oder Stahl – bietet und trockenheitsresistenter als die Fichte ist. Aus ökologischer Sicht können aber nur vergleichsweise wenige Arten mit und von ihr leben. In Zeiten des Artensterbens sollte dieser Aspekt nicht außen vor gelassen werden. Neben der Baumartenwahl stellt sich auch die Frage, wie wir von dem aktuellen in einen zukünftig – nach den Prognosen – stabilen Waldzustand kommen. Historisch bedingt gibt es bei uns einen hohen Anteil von Fichten und Tannen. Vor allem die Fichte wurde nach dem 2. Weltkrieg auf Kahlflächen gepflanzt, weil sie auch ohne Schutzschirm wachsen kann und relativ schnell Holz liefert. Die Tanne ist bei uns autochthone, natürlich vorkommende Baumart. Beide Baumarten sind in Zukunft jedoch in vielen Bereichen nicht mehr klimastabil und drohen auszufallen. Was also tun? Pflanzungen für mehr Artenvielfalt sind möglich. Nachteile sind allerdings zum Beispiel: Pflanzungen sind teuer, die Wurzeln werden meist beschädigt und erholen sich oft nicht mehr, sie müssen vor Wildverbiss geschützt werden und die Arten sind nicht an die Bedingungen vor Ort angepasst. Mit Blick auf Verjüngung und Holzernte stellt sich die Frage, wie viel Licht auf den Boden gelangen darf? Viele Baumarten brauchen aber das Licht, um das Wachstum anzuregen. Gleichzeitig droht durch die Öffnung des Kronendachs ein zusätzlicher Feuchtigkeitsverlust im Waldinnenbereich.

Dauerwald, Vollernter und Rückepferde

In vielen Diskussionen um einen stabilen zukünftigen Wald fällt irgendwann einmal die Forderung, dass vermehrt auf Dauerwälder gesetzt werden sollte. Ein Dauerwald bringt mehrere Vorteile mit. Beispielsweise ist die Pflege relativ gering, es kann in regelmäßigen Abständen Holz – durch Einzelbaumentnahme – geerntet werden, das Waldbild ändert sich nicht abrupt, das Innenklima des Waldes wird kaum gestört und noch einige Punkte mehr. Ähnliches gilt für den Plenterwald. Ein Plenterwald – stark verkürzt erklärt – ist ein Dauerwald, der an die Tanne gebunden ist. Der Plenterwald ist ein Spezialtypus der niederschlagsreichen Mittelgebirge. Ziel im Plenterwald ist es, einen strukturreichen Hochwald zu erhalten, aus dem immer wieder Holz durch Einzelbaumentnahme gewonnen werden kann. Dauerwälder sind in der Regel – und das muss nicht negativ bewertet werden – menschgemachte und durch Pflege entstandene Wälder. Die Natur dagegen kennt solche Wälder nicht. Sie kennt nur klein- und großräumige Wachstums- und Zerfallsstadien und schafft so diverse Lebensräume.

 (Patrick Maier / BUND Nordschwarzwald)

Im Rahmen der Exkursion haben Forst und Teilnehmende sich ein Bild von einem Dauerwald bei Langenbrand gemacht. Die Teilnehmenden haben dabei die Aufgabe erhalten, beispielshaft selbst einen Dauerwald auszuzeichnen: Welche Bäume würden sie ernten, wo würden sie für mehr Licht am Boden sorgen und welche jüngeren Bäume würden sie für die Zukunft stehen lassen? Eine allgemeingültige Antwort wurde nicht gefunden. Klar ist aber: Es braucht viel Erfahrung, um eine große Fläche dauerhaft stabil zu halten.

 (Patrick Maier / BUND Nordschwarzwald)

Ähnlich wie beim Dauerwald stehen auch Vollernter, Rückegassen, Rückepferde oder kleinere Traktoren irgendwann im Fokus der Diskussion. Rückegassen sind – in menschlichen Zeiträumen – unwiederbringlich verdichtete Waldwege zur Gewinnung von Holz. –. Rückepferde können nur auf einer rel. geringen Fläche die die Arbeit von Vollerntern übernehmen. Sobald die Stämme stärker und schwerer sind und Hangbereiche betroffen sind, müssen Spezialrückemaschinen zum Einsatz kommen, welche die teilweise tonnenschweren Bäume an die Waldstraße transportieren. Die Rückegassen müssen möglichst weit auseinander liegen, es darf immer nur auf bestehenden (historischen) Trassen gefahren werden, die Rückegassen sind nicht zu steil und werden gegebenen Falls mit einer Auflage geschützt. Außerdem wird nur mit Maschinen gearbeitet, die einen großen Bereich vom Weg aus erreichen können und die den Druck auf den Boden durch großflächige Reifen oder Ketten minimieren. Kleine Traktoren, die sich kreuz und quer durch den Wald bewegen, stellen dabei keine Lösung des Problems dar. Ein kleiner ökologisch positiver Aspekt der Rückegassen ist, dass durch die Verdichtung Lebensräume entstehen, die temporär mit Wasser gefüllt und die heute selten geworden sind. Arten wie die Gelbbauchunke sind von solchen Lebensräumen abhängig.

Naturschutz im Wald: Habitatbäume, Habitatbaumgruppen und Waldrefugien

Viele Arten sind von absterbenden Bäumen und Totholz abhängig und haben stark unter den auf- und ausgeräumten Wäldern der Nachkriegsgeneration gelitten. Forst und Naturschutz arbeiten heute daran, diesen Zustand zu verbessern. Über das Alt- und Totholzkonzept werden 2 Fliegen mit einer Klappe geschlagen. Durch Nichtnutzung von Habitatbäumen (Bäume, die beispielsweise Spechthöhlen haben), Habitatbaumgruppen (Gruppe von bis zu 15 ökologisch wertvolleren Bäumen) und Waldrefugien (1—3 Hektar große Mini-Bannwälder, also urwaldähnliche Wälder) betreibt ForstBW aktiv Arten- und Naturschutz. Gleichzeitig sorgt ForstBW so juristisch vor, falls bei der Bewirtschaftung aus Versehen gegen Naturschutzrecht verstoßen wird, weil beispielsweise ein Baum gefällt wird, in dem geschützte Tiere (Fledermäuse …) ihren Lebensraum hatten.

 (Patrick Maier / BUND Nordschwarzwald)

Seit rund 10 Jahren gibt es das Alt- und Totholzkonzept von ForstBW. Im Bereich des Forstbezirkes Nordschwarzwald wurden zwischenzeitlich auf rund 740 Hektar Waldrefugien ausgewiesen. Zusammen mit den drei Bannwäldern, die zusammen 260 Hektar einnehmen, werden somit 1000 Hektar Wälder nicht mehr bewirtschaftet. Daneben sind rund 1700 kleinflächigere Habitatbaumgruppen markiert, die ebenfalls auf einer Gesamtfläche von rund 100 Hektar bis zu ihrem Verfall nicht mehr genutzt werden. Die Ausweisung von Habitatbaumgruppen ist noch nicht abgeschlossen und wird weitergeführt.

Sichere Straßen und Wege im und am Wald

Vereinfacht gesagt gilt: Wenn im oder am Wald ein (Personen-)Schaden durch einen (teilweise) umstürzenden Baum entsteht, ist immer der Waldbesitzer und somit der zuständige Förster/die zuständige Försterin im Fokus der Ermittlungen und muss, neben den emotionalen Folgen, mit juristischen Konsequenzen rechnen. Auf Wald- und Wanderwegen muss die/der Nutzende von waldtypischen Gefahren ausgehen. Entlang öffentlicher Verkehrswege oder an Erholungseinrichtungen besteht dagegen eine besondere und erhöhte Verkehrssicherungspflicht. Zur Bewertung der Risiken nutzt der Forst die VTA-Methode. VTA steht für Visual Tree Assessment und bedeutet so viel wie optische Baumprüfung. Bei der VTA werden sogenannte Defektsymptome des Baumes untersucht. Defektsymptome können dabei Zwieselbildungen, Beschädigungen oder Hohl-/Faulstellen sein. Als besonders kritisch gilt dabei die Streifen, der sich eine Baumlänge beidseitig von Straßen und Wegen befinden. Hanglagen müssen differenziert betrachtet werden. Um ein Gespür für das VTA zu entwickeln, wurden verschiedene (fiktive) Standortsituationen im Rahmen der Exkursion durchgespielt. Die Frage lautete: Welche Bäume müssten entlang einer vielbefahrenen Straße gefällt werden, welche Bäume dürften entlang eines Waldweges stehen bleiben und wo müssten Sie als Verantwortlicher jedes Jahr erneut eine Einschätzung vornehmen? Neben fachlichen Aspekten spielt, das haben wir auf der Exkursion gesehen, bei den Einschätzungen auch die persönliche Risikobereitschaft eine große Rolle.

Das Waldinnen und Waldtrauf-Programm des Forstbezirkes Nordschwarzwald

Durch den naturnahen Waldbau der letzten Jahrzehnte verstärkt durch eine dauerwaldartige, einzelstammweise oder gruppenweise Nutzung sind die Wälder geschlossener und dunkler geworden, was die Verjüngung der Schattbaumarten gefördert hat. Die Anteile lichter Wälder aus Lichtbaumarten gehen kontinuierlich zurück. Im Rahmen eines vierjährigen Programms widmet sich der Forstbezirk Nordschwarzwald daher gezielt der Pflege der Waldaußen- und innenrändern. Durch Waldrandpflege sollen

  • lichte und strukturreiche Waldränder geschaffen,
  • lichtbedürftige Tier- und Pflanzenarten Arten gefördert und deren Habitatstrukturen verbessert,
  • die Artenvielfalt erhöht und
  • der Erholungswert gesteigert werden.

Mit der Umsetzung der Maßnahme wurde bereits begonnen. Bisheriger Umsetzungsschwerpunkt lag bei den Waldinnenrändern. Dabei werden auf mindestens 10 Metern Tiefe entlang der Waldwege durch stärkere, buchtig geführte Eingriffe die Waldinnenränder aufgelichtet und die Mischbaumarten gefördert. In einem zweiten Schritt werden wo erforderlich wärme- und lichtleibende Baum- und Straucharten gepflanzt.

Pilotprojekt: Robuste Nutztierrassen im Wald

Erdhistorisch betrachtet basiert jedes Ökosystem (seit Millionen von Jahren) auf unterschiedlich großen Pflanzen- und Fleischfressern. Große Pflanzenfresser, sogenannte Megaherbivoren, spielten insbesondere bei der Verbreitung von Samen und Nährstoffen und der Schaffung von Lebensräumen eine entscheidende Rolle für ganze Lebensräume. Neben großen Beutegreifern wie Wolf oder Bär fehlen in unseren Landschaften auch die Megaherbivoren, beispielsweise ursprüngliche Rinder. In manchen Naturschutzgebieten, beispielsweise dem Nationalpark Schwarzwald, wird auf entsprechende Rinder- oder Pferderassen gesetzt. Ziel ist es, dass die Tiere für eine bestimmte Zeit lang – meist während der Wachstumsperiode – die Landschaft durch ihr Vorhandensein pflegen und offenhalten.

 (Patrick Maier / BUND Nordschwarzwald)

Fazit und Ausblick

Der Wald – insbesondere mit Blick auf die dramatischen Zustandsberichte – bewegt die Menschen. Das hat das Corona-Jahr noch deutlicher zum Ausdruck gebracht. Neben themenspezifischen Diskussionen, beispielsweise der Frage, wie eine Bewirtschaftung in Wäldern mit Schutzstatus (FFH-Wälder etc.) Managementplan-konform umgesetzt werden, bieten solche regelmäßigen Exkursionen und die nachträgliche und gemeinsame Erstellung eines Berichts die Möglichkeit des Austausches. Hier können wir an einem gemeinsamen Verständnis und Vokabular arbeiten. Mit Blick auf das Feld der Teilnehmenden von Greenpeace, der Schutzgemeinschaft Eyachtal, BWE (Bundesverband WindEnergie), BUND und ForstBW konnten selbst in diesem kleinen Rahmen viele Akteure aus dem Natur- und Umweltschutz erreicht werden. Schön wäre es, wenn in Zukunft weitere Akteure wie Privatwaldbesitzende, Jägerschaft und Politik dazukommen würden.

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